Ein Gespräch mit dem Designer des Uniseums, Kurt Ranger

Neue Formen der Vermittlung

Als Gestalter von rund 90 Ausstellungen und sieben namhaften Museen zählt Kurt Ranger zu den erfolgreichsten und innovativsten deutschen Museumsdesignern.
Durch eine lebendige Präsentation komplexer Lerninhalte möchte der Stuttgarter Schwellenängste nehmen und auch Besuchergruppen ansprechen, die um das „klassische“ deutsche Museum sonst eher einen Bogen machen.
Dabei scheut er nicht den Einsatz modernster Medien und unorthodoxer Vermittlungswege. Das Wort „Unterhaltung“, sofern es nicht selbstbezügliches „Entertainment“ bedeutet, ist ihm keineswegs fremd. Im Zentrum aber stehen stets die Inhalte.

Der Kulturjournalist Stefan Tolksdorf sprach mit Kurt Ranger in dessen Stuttgarter Büro.

Herr Ranger, der Name „Uniseum“ ist ihre Erfindung. Was brachte Sie zu diesem Neologismus?

Das Dokumentationszentrum der Universität Freiburg versteht sich eben nicht nur als Museum, sondern als Forum für Lehre und Ausbildung. Diesem Doppelcharakter wollte ich Rechnung tragen. Mit der Kurzformel wollte ich ausdrücken, dass das Museum Teil des „Corporate Designs“, oder besser noch: der „Corporate Identity“ der Universität Freiburg ist. Ein „Uniseum“ hat es in Deutschland bisher noch nicht gegeben.

Was auch die Form der Präsentation betrifft. Sie haben sich, in Absprachen mit den Expertengruppen und dem wissenschaftlichen Beirat der Uni, für einen chronologischen Parcours entschieden, der, in klar gegliederten Stationen, Themenschwerpunkte setzt. Inwiefern konnten Sie in der Konzeption auf ihre Erfahrungen etwa bei der Gestaltung von Großausstellungen für das Badische Landesmuseum Karlsruhe zurückgreifen?

Natürlich kam mir meine 25-jährige Erfahrung als Ausstellungsgestalter zugute. Entscheidend ist aber die Frage: Was ist das Spezifikum gerade dieses Projekts? Es macht natürlich einen Unterschied, ob man mit einem Museum arbeitet, in dem wir ständig Ausstellungen gestalten, oder ob man mit einem Team arbeitet, mit dem der Stil der Darstellung noch erarbeitet werden muss. Bisher gab es noch keine umfassende Darstellung der 550-jährigen Geschichte der Universität Freiburg. Folglich ging es zunächst darum zu sichten, welche Objekte in welchen Strukturen überhaupt ausgestellt werden sollten. Am Anfang versuche ich immer, die Dinge mit den Augen der Laien zu betrachten und frage: „Was interessiert mich daran?“ und erst dann: „Wie lässt sich das visualisieren?“ Das heißt, es gibt keine vorgeprägten Modelle, sondern Inhalte, die eine je eigene Präsentation verlangen. Das macht meine Arbeit so lebendig.

Wie würden Sie Ihre persönliche „Handschrift“ beschreiben?

Es wird immer wieder hervorgehoben, dass ich mich stark inhaltlich engagiere. Das findet stets im Dialog statt, wobei es für mich keine „dummen Fragen“ gibt. Der zweite Punkt ist wohl, dass ich versuche, Ausstellungsprojekte ganzheitlich zu denken.

Wir wollen nicht an der Museumstür stehen bleiben, sondern fragen, wie eine Ausstellung in die Öffentlichkeit kommuniziert. Das reicht von Stelen und signifikanten Architekturen im städtischen Umfeld bis zu breiten Werbekampagnen und beginnt schon beim Titel. Da macht es sehr wohl einen Unterschied, ob eine Ausstellung „Baden-Württemberg zur Römerzeit“ oder „Imperium Romanum. Roms Provinzen an Neckar, Rhein und Donau“ heißt. Die Kurzformel für meine Ausstellungspraxis lautet: So anschaulich wie möglich, so unterhaltsam wie nötig und nie ohne eine Prise Humor. Das Ganze in einer möglichst sinnlichen Inszenierung, was den Einsatz großformatiger Foto- und Bildelemente, aufwändiger Rekonstruktionen, interaktiver Stationen und audiovisueller Medien einschließt. Ein Museumsrundgang soll zum Erlebnis werden, das heißt, es soll Überraschungen und Herausforderungen geben, auch im Bewusstsein, vermeintlich Bekanntes ganz neu sehen zu können. Indikator ist immer, wie viel Nachdenken während des Besuchs entsteht.

Woran erkennt man ein gelungenes Museumsdesign?


Nur ein Inhalt, der eine klare, logische Struktur hat, lässt sich gut visualisieren. Eine Konzeption, die nicht zu Ende gedacht ist, führt auch optisch zu asymmetrischen Strukturen. Entscheidend ist überdies das richtige Maß der Mittel. Es darf weder ein Zuviel an Text noch an audiovisuellen Medien geben. Die Objekte sollen deutliche Blickfänge sein, müssen aber zugleich in ihrem historischen Kontext erfahrbar werden. Die Dramaturgie sollte sich erkennbar an den konkreten räumlichen Gegebenheiten und der Verweildauer des Besuchers orientieren. Niemand darf sich von der Informationsfülle überfordert fühlen und das Museum mit dem Bewusstsein verlassen, einfach nicht „durch“ gekommen zu sein.

Welche Inhalte lassen sich am schwersten visualisieren?

Das betrifft vor allem philosophische Erkenntnisse und abstrakte Begriffe, für die es keine konkrete dingliche Anbindung gibt und natürlich auch die Literatur. Kein noch so schöner Einband vermittelt etwas über den Gehalt der Bücher.

Aber sehr wohl manche Illustration. Sie hatten das Glück mit dem berühmten mittelalterlichen Statutenbuch der Freiburger Alma mater im Untergeschoss einen eigenen Raum zu gestalten. Wie hat die Aufteilung der Bauabschnitte generell ihre inhaltliche Konzeption bestimmt?

Zunächst war ja vorgesehen, Erd- und Untergeschoss des Uniseums in einem Arbeitsgang zu beenden. Aus Kostengründen wurden dann zwei Abschnitte daraus, was die Frage aufwarf, wie wir chronologisch vorgehen sollten. Sehr schnell war klar, dass es sich um zwei gesonderte Themenkreise handeln musste. In Zusammenarbeit mit Herrn Doktor Speck und seinem Team kamen wir auf die Idee, dass auf den chronologischen Parcours im Erdgeschoss der Fokus unten auf der spezifisch studentischen Sicht liegen muß. So wird das Statutenbuch im Eingangsbereich als Regelwerk vorgestellt, im Untergeschoss erfahren wir anhand von Vergrößerungen seine konkreten Auswirkungen auf den studentischen Alltag.

Von ihrer Ausbildung her kommen Sie vom Industriedesign. Wie gelangten Sie zur Museumsarbeit?

Als ich mich mit 16 Jahren als Praktikant im Büro von Ferdinand-Alexander Porsche mit Uhren, Fahrzeugen und anderen technischen Produkten beschäftigte, hätte ich es mir kaum träumen lassen, einmal als Museumsgestalter tätig zu sein. Später landeten meine Bewerbungsunterlagen auf dem Tisch des damaligen Direktors des Württembergischen Landesmuseums, Claus Zoege von Manteuffel, und ich begann, in der Synthese von Grafik und Innenarchitektur, meine Ausstellungsarbeit.

Was war ihre größte Lernaufgabe?


Es geht immer darum, die richtigen Fragen zu stellen, aber natürlich musste ich auch lernen, meine Vorstellungen einem sich stetig verkleinernden finanziellen Budget anzupassen.
Ich bin es gewohnt, Budgets so einzuteilen und systematisch abzuarbeiten, dass sie eigentlich immer ausreichen.
Die andere Lernaufgabe bestand darin, alle Aspekte einer Gestaltungsarbeit (inhaltliche Konzeption, Innenarchitektur, Grafik Design, Medieneinsatz und Dramaturgie) in gleicher Gewichtung anzuwenden.

In welchen Bereichen haben Sie im Laufe Ihrer Arbeit konzeptionell umdenken müssen?

Ich glaube, dass wir es heute mit einer anderen Zielgruppe zu tun haben. Das klassische Bildungsbürgertum fällt als Hauptbesuchergruppe zunehmend aus. Wir haben es mit neugierigen, intelligenten Menschen zu tun, die wir da abholen müssen, wo sie stehen. Menschen, die weniger belehrt, als an Inhalte herangeführt, ja im besten Sinn zur Bildung verführt werden wollen. Es geht nicht mehr darum, einen strengen wissenschaftlichen Stil umzusetzen, sondern ein Projekt spannend zu gestalten. Heute arbeite ich eher in Augenhöhe mit den Wissenschaftlern und unterscheide deutlicher zwischen einer wissenschaftlichen Kompetenz und einer Ausstellungskompetenz. Was ich einbringe ist das Wissen um Anschaulichkeit und eine gewisse „Bühnenerfahrung“. Man kann sich, glaube ich, sehr weit aus dem Fenster lehnen, bevor das Publikum den Kopf schüttelt.

Was sind Ihre erfolgreichsten Ausstellungsprojekte?


Mit dem Direktor des Badischen Landesmuseums, dem in vielen Jahren erfolgreichsten staatlichen Museum in Baden-Württemberg, Professor Harald Siebenmorgen, gestalte ich seit 15 Jahren Landesausstellungen im Karlsruher Schloss, dessen stehende Sammlung überwiegend von mir neu gestaltet wurde.
Am besten besucht war „Das Labyrinth des Minos“, aber auch die Hannibal-Ausstellung und die sensationelle Revolutionsausstellung 1848/49 waren sehr große Erfolge. Meine flächenmäßig größte Ausstellung war „Imperium Romanum“ auf 2500 qm mit dem Archäologischen Landesmuseum in Stuttgart.

Wie haben Sie sich in die inhaltliche Konzeption des Uniseums konkret eingebracht?

Wir haben uns zunächst in zahlreichen Gesprächen über Art und Anzahl der Exponate verständigt und uns überlegt, wie wir, in gleichmäßiger Taktung, mit den verfügbaren 1.200 Quadratmetern auskommen. In Zusammenarbeit mit dem Universitätsbauamt haben wir aus kleinteiligen Unterrichtsräumen eine „fließende“ Hallensituation erzeugt. Als räumliche Umsetzung des Gründerzeit-Zitats „Die Weisheit hat sich ein Haus gebaut“ haben wir im Eingangsbereich einen Raumkubus errichtet.
Da ein entscheidendes Movens für die Wissenschaft das Staunen ist, haben wir im ersten Raumabschnitt ein „Kabinett des Staunens“ angeregt, das vor allem originell sein sollte.
Um mitunter obskure Denkstrukturen zu reflektieren, habe ich vorgeschlagen, so genannte Denk-Schubladen zu Themen wie „Warum dürfen Frauen nicht studieren?“ und „Jesuitische Dialoge“ zu öffnen. Wichtig war mir auch die Möglichkeit, um das Forum herum Freiräume für Sonderpräsentationen zu schaffen, denn das Uniseum soll inhaltlich flexibel bleiben.

Welche Veränderungen haben Sie im Laufe Ihrer Arbeit angebracht?

Vom wissenschaftlichen Beirat wurde – wie ich finde – zu Recht, mein Konzept kritisiert, die Zeit des Nationalsozialismus als geschlossene räumliche Einheit zu präsentieren. In der aktuellen offenen Raumsituation werden nun stärker geistige Linien deutlich.

Was hat Sie an der Uni-Geschichte besonders fasziniert?

Generell genieße ich es, bei meiner Arbeit vieles zu lernen. Was in 550 Jahren in einer Alma mater gelehrt wurde, vor allem in Zeiten von Paradigmenwechseln, interessiert mich besonders. Kaum vorstellbar, dass einmal ernsthaft darüber diskutiert wurde, wie viele Engel auf eine Nadelspitze passen, und Rassenkunde einmal ein seriöses Lehrfach war.

Was kann ein Museumschef vom Uniseum Freiburg lernen?

Für eine gelungene Koordination von Konzeption, Design, Museumspädagogik und Öffentlichkeitsarbeit gibt es heute bundesweit erfolgreiche Beispiele. Die Menschen fragen heute verstärkt nach den geistigen Orientierungen und Sinn-Modellen früherer Zeiten. Es geht ihnen um die Sichtbarmachung größerer Zusammenhänge und Entwicklungsstränge. Ich glaube, wir müssen dazu übergehen, die Fachbereiche stärker zu vernetzen. Leider wird die Gestaltung von vielen Museumschefs noch immer als reine Stilfrage behandelt. Wenn ich Museumsdirektor wäre, würde ich abseits von rein ästhetischen Erwägungen nach den Erfolgskriterien fragen. Da fehlt es vielfach noch an zielgerichteter Kommunikation.

Welche Projektidee würde Sie persönlich reizen?


Gern würde ich einmal ein Technik- oder Wissenschaftsmuseum gestalten und verschiedene Entwicklungen durch die Geschichte der Ideen dokumentieren. Auch eine Ausstellung über den Dialog der Weltreligionen stünde längst an. Ebenso interessiert es mich, meine langjährige Erfahrung an jüngere Kollegen weiter zu geben, aber leider gibt es noch keinen Lehrstuhl für Museumsgestaltung.

Herr Ranger, besten Dank für dieses Gespräch und viel Erfolg für Ihre Arbeit.