Kurt Ranger

Das Stuttgarter Kunstgebäude

Ein Ort für Kunst oder für Kunst und Kultur?

Wer in Stuttgart Kunstgebäude sagt, bekommt häufig die Frage gestellt, ob es sich bei diesem Gebäude um den neuen Glaswürfel am Schlossplatz handle. Erst der Hinweis, das Kunstgebäude sei das mit dem goldenen Hirsch auf der Kuppel und der gläserne Würfel das neue Kunstmuseum, klärt die Örtlichkeit. Ist dies ein Indiz für einen mangelnden Grad an Öffentlichkeitswirksamkeit der im Kunstgebäude stattfindenden Ausstellungen?

Das Profil dieses Gebäudes, also die Wahrnehmung der Inhalte und Projekte in dessen Räumen, hängt eng mit dem aktuellen Interesse der Öffentlichkeit zusammen und ist nicht gebunden an den Glanz vergangener Zeiten. Die Lage des Kunstgebäudes im Zentrum Stuttgarts könnte nicht besser sein. All das, was an der Kulturmeile der Konrad-Adenauer-Straße gewünscht ist, ist hier in idealer Weise vorhanden. Die Ausstellungsflächen des Kunstgebäudes betragen im Kernbereich 2.500 Quadratmeter, mit den ehemals von der Galerie der Stadt Stuttgart genutzten Flächen beläuft sich die gesamte Ausstellungsfläche auf etwa 3.500 Quadratmeter. Das sind große und großartige Ausstellungsflächen in bester Lage, die es für ein anspruchsvolles Publikum zu bespielen gilt.

Mit dem neuen Kunstmuseum der Stadt und der Staatsgalerie sind in Stuttgart zwei weitere große Häuser präsent, die Kunst ausstellen. Wer das Kunstgebäude weiter entwickeln möchte, muss dies im Gesamtblick dieses Angebotes tun. Der Württembergische Kunstverein als ein Mieter des Kunstgebäudes sieht seinen Schwerpunkt in der Vermittlung zeitgenössischer Kunst. Auch wenn die Besucherzahl und das Besucherinteresse (Verweildauer, Intensität des Besuchs, Kommentare) von Ausstellungen nur ein Aspekt der Beurteilung sein können, so ist es trotzdem ein wichtiges und objektives Kriterium der Beurteilung von Erfolg. Unbestritten ist neue, aktuelle Kunst im Kunstgebäude zu präsentieren. Eine Kernfrage der Diskussion um die weitere Nutzung ist, ob dieses Gebäude mit seinen einmaligen Ausstellungsräumen in bester Lage auch andere Themen ausstellen soll. Und damit auf ein zusätzliches breites Publikumsinteresse stoßen kann.

Das Kunstgebäude am Schloßplatz befindet sich im Besitz des Landes Baden-Württemberg. Die Landesregierung hat entschieden, zukünftig auch wieder (wie bereits 1987 die „Napoleon“-Ausstellung) kulturhistorische Landesausstellungen oder auch weitere Kunstausstellungen dort zu präsentieren. Mögliche Veranstalter sind die staatlichen Museen von Baden-Württemberg. Schadet die Konstellation Kunst und Kultur im Kunstgebäude am Schloßplatz dessen eindeutigem Profil als Ort der Kunst? Es darf bezweifelt werden, ob das Publikum in diesen Kategorien denkt. Sicher ist es für jedes Haus, für jedes Museum, jede Galerie wichtig, sich ein eigenes Stammpublikum zu erspielen. Darüber hinaus wechselt das Publikum auch bei sehr profilierten Häusern je nach Ausstellungsthema. Jedes Thema spricht auch neue Besuchergruppen an, teilweise regional, aber auch national und international. Wenn es gelingt, viele Besucher in das Kunstgebäude zu locken, können alle Veranstalter davon profitieren. Die Ausstellung „Imperium Romanum - Roms Provinzen an Neckar, Rhein und Donau“ des Archäologischen Landesmuseums Baden-Württemberg, die in drei Monaten bis Januar 2006 etwa 150.000 Besucher anzog, gilt bei allen Beteiligten als großer Erfolg. Es sind gute demokratische Zeiten, wenn aus „Ruhmeshallen“ Ausstellungsräume mit großem Publikumszuspruch werden und sich viele Besucher und Schüler aus möglichst allen Bevölkerungsschichten für ein Thema begeistern. Eine Ausstellung, die bereits am ersten Wochenende 6.000 Besucher für sich gewinnt, muss auf positive Weise nachdenklich stimmen. Trotzdem werden die staatlichen Museen Baden-Württembergs nur bedingt als Veranstalter zur Verfügung stehen. Jedes Museum mit eigenem Gebäude wird seine Aufgabe vordringlich darin sehen, seine potentiellen Besucher in das eigene Haus zu lenken. Sonst müssten in Zukunft alle Baden-Württemberger in die Landeshauptstadt fahren, um eine Landesausstellung zu besuchen. Das Kunstgebäude in Stuttgart fordert einen großen Einsatz, wenn es bespielt wird. Nicht jedes Thema wird dort aber zwangsläufig zum Erfolg werden. Das Konzept, zusätzliche Kulturausstellungen im Kunstgebäude zu präsentieren, wird aufgehen, wenn zusätzliche Veranstalter und Projektträger mit ins Boot geholt werden, um hochkarätige Projekte nationalen oder internationalen Zuschnitts nach Stuttgart zu lotsen. Das Kulturdenkmal Kunstgebäude hätte es verdient.