Kurt Ranger


Homage an Karl Dittert

1969. Ich, ein damals gerade 15jähriger Schüler, hatte mir in den Kopf gesetzt, Designer zu werden. Ein Fernsehbericht über einen Ulmer Designer, der technische Güter wie zum Beispiel eine Nähmaschine gestaltete, hatte die Phantasie in meinem Kopf entfacht. Industrial Design, dieses mir zuvor unbekannte Wortgebilde, schien mir der Traumberuf schlechthin zu sein. In Stuttgart gab es damals schon das Design Center, geleitet von Ernst Josef Auer, mit der aktuellen Ausstellung „Schwedische Form". Dieser Ort hatte für mich eine magische Anziehungskraft. Eines Tages fasste ich den Mut, bei Herrn Auer anzurufen und um einen Termin zu bitten. Er empfahl mir ein Studium in Schwäbisch Gmünd an der damaligen Staatlichen Werkkunstschule in Betracht zu ziehen – das sei die beste Wahl. Ich bekam dort einen Termin zur Studienberatung – bei Prof. Karl Dittert, dem Fachbereichsleiter. Er erklärte mir aus seiner kompetenten Sicht des professionellen Designers seinen Beruf, das Studium und schlug mir vor, mich nicht sofort an der Staatlichen Werkkunstschule zu bewerben, sondern zuerst die Fachhochschulreife in einem soeben gegründeten Vorbereitungskurs zu erwerben, um dann in zwei Jahren an der sich neu etablierenden Fachhochschule für Gestaltung in Schwäbisch Gmünd das Studium zu beginnen. Diesem Rat bin ich gefolgt. Während des Studiums an der Fachhochschule hatte ich mit Prof. Dittert selbst direkt wenig Kontakt. Ich erinnere mich an eine seiner Vorlesungen über Kostenkalkulation, Honorare und wie Angebote möglichst bis ins Detail ausgearbeitet sein sollten, um auf der Auftraggeberseite möglichst nachvollziehbare Kostentransparenz und Vertrauen zu erreichen. An diesen Ratschlag habe ich mich immer gehalten – mit Erfolg. Als Student im höheren Semester hatte ich Gelegenheit an einem Vortrag mitzuwirken, den Karl Dittert vor dem Vorstand der Hypo-Bank in München hielt. Es ging um die Inneneinrichtung des neu projektierten Hypo-Bank-Gebäudes im Münchner Arabella-Park, die er in Zusammenarbeit mit dem Unternehmen VOKO plante. Mit dämmerte damals, welches rhetorische Talent Karl Dittert ist, wie er mit großer Klarheit in der Gedankenführung, in der Argumentation, mit Ruhe und präziser Wortwahl die Menschen für seine Sache gewinnen konnte. Nach dem Studium im Jahr 1976, gerade erst 22 Jahre jung, stellte mich Karl Dittert, der in der Zwischenzeit Rektor der Fachhochschule für Gestaltung geworden war, in seinem Designbüro als Industrial-Designer ein: Neben dem Meister selbst und einem Modellbauer war ich der einzige Designer in diesem kleinen Team. Wir arbeiteten damals für namhafte Firmen. Natürlich in erster Linie für VOKO, für das wir Büroeinrichtungen entwickelten. Für Wilkhahn entwickelten wir ein neues Konferenzmöbel, für Ritter Elektro-Haushaltsgeräte und für Zwingo Accessoires für den Bürobereich. Ich habe in dieser Zeit viel gelernt. Mein Zeichnungsstil ist immer noch so, wie ich ihn in der Zeit bei Karl Dittert gelernt habe. Wenn ich über Design, über Formen und Strukturen nachdenke, denke ich teilweise immer noch in seinen Gedankengängen. Dittert war immer auch Pädagoge, ein Vermittler, persönlich voller Humor und mit dem Talent zu parodistischen Einlagen ausgestattet. Seine Energie war immer beeindruckend.

Was fällt mir noch ein? Sein schneller Fahrstil, seine Liebe zu Knoblauch und seine Lust, mit seiner Frau in sein geliebtes Spanien zu reisen.

Eigentlich wird mir erst im Rückblick so richtig bewusst, welche Wegbereiterrolle Karl Dittert für das Design in Deutschland spielte. Vieles, was mir als junger Designer selbstverständlich erschien, war eben nicht selbstverständlich. Er hat viele Wege geebnet und dem Design im Nachkriegsdeutschland zum Durchbruch verholfen.

Ich hatte das Glück, bereits in jungen Jahren bei namhaften Designern lernen zu dürfen: Bei Ferdinand Alexander Porsche, bei Heinrich Roth, bei Tom Hilbert, bei Jürgen Lange und bei Prof. Karl Dittert. Geprägt hat mich vor allem Karl Dittert.

Kurt Ranger, November 2004