Text im Kontext

Text als Teil musealer Gesamtkonzeption

Text ist ein wesentlicher Vermittlungsfaktor in Ausstellungen. Aber auch andere Faktoren spielen eine wesentliche Rolle in der Gesamtpräsentation eines Ausstellungsthemas und seiner Inhalte. Um nur einige Stichpunkte zu nennen, sei hier neben der sachgerechten Auf- und Ausstellung der Exponate auf die Architektur und die damit verbundene räumliche Gliederung und Schwerpunktbildung hingewiesen. Auch das Spektrum an Inszenierungen, in welcher Form auch immer, bietet eine große Bandbreite an möglichen Aussagen. Die grafischen Komponenten, die Farbgebung, die Beleuchtung, audiovisuelle Medien, interaktive Elemente etc. spielen ebenfalls wichtige Rollen. Dabei sollte das Thema Text im Zusammenhang aller Elemente der Vermittlung und Gestaltung gesehen werden. Dem Text kommt dabei eine verbindende Funktion zu. Aber lassen wir diese Faktoren jetzt beiseite und wenden wir uns konzentriert dem Thema „Text im Museum” zu.

Text und Bild im Wechselspiel

Text „alleine” zu stellen, ist die einfachste aller Möglichkeiten, aber sicher nicht die Beste. Die Kombination von Text/Bildelementen ist besser geeignet, Lust aufs Lesen zu machen. Ein Bild über, neben, unter oder in einen Text integriert, zieht eher Blicke an als ein statischer Textblock. Eigentlich stehen für jedes Museum die Exponate an erster Stelle. Aus der Sicht des Designers könnte – hypothetisch – ein Thema jedoch auch ohne Exponate ausgestellt werden, nämlich „nur” durch ansprechende dreidimensionale Grafik: Texte, Zitate, reproduzierte Bilder, illustrative Elemente und Collagen. Ein Beispiel für eine solche Ausstellung, die eigentlich nur aus Texten und Bildern besteht, aber „trotzdem” als großer Erfolg gilt, ist das Projekt „Biedermänner und Brandstifter. Gewalt von rechts in Baden-Württemberg” des Innenministeriums von Baden-Württemberg. Diese Wanderausstellung tourte jahrelang durch über fünfzig Städte im deutschen Südwesten und informiert, mit leichten inhaltlichen Korrekturen, über diesen Problemkreis inzwischen im Freistaat Sachsen.

Das Design der Ausstellung spielt mit zwei Ebenen: Einer Vorderebene, teilweise transparent gehalten, und einer darunter liegenden Ebene. So entstehen inhaltliche Bezugsebenen für Pro und Contra, Vorurteil und Nachurteil, Propaganda oder Argumente. Die Gestaltung erzeugt Spannung. Großmotive wechseln mit Kleinmotiven, Schwarz und Weiß kontrastiert. Fernwirkungen wechseln mit Nahwirkungen. Blicke werden gelenkt, die collagenhafte Gestaltung macht schließlich Lust auf tiefergehende Information. Diese collagenhafte Mischung der eigentlich sehr begrenzten Gestaltungselemente dieser kleinen Ausstellung kam bei der Zielgruppe der Jugendlichen, durch Befragungen belegt, sehr gut an. Dem Projekt zugute kamen relativ knappe, gut formulierte Texte mit plakativen Überschriften.

Die Frage, „was ist eigentlich ein guter Text im Museum?” wäre wohl einer eigenen Betrachtung wert. Stichworte hierzu wären aus meiner Sicht: Zielgruppe und Lesesituation beachten, auch der in etwa zur Verfügung stehende Zeitrahmen eines Ausstellungsbesuches sollte berücksichtigt werden. Kurze, klare, einfache Texte in verständlicher Sprache sind hilfreich.

Text in Bezug zu Objekten

Wichtig ist der Bezug von Texten zu den damit in einen Zusammenhang gestellten Objekten. Also: Keine Separation betreiben, Nähe herstellen, je nachdem, was die „Aura” der Objekte zuläßt. Hier ist vor allem die enge Zusammenarbeit aller Gestalter notwendig, von Ausstellungsdesigner und Grafikdesigner. Eine Ausstellung muß grundsätzlich in ihrer Gestalt vom Inhalt her entwickelt werden. Das gilt auch für sämtliche Gestaltungsmittel, die sich ja nicht widersprechen oder einander irritierend beeinflussen sollen, sondern ergänzend aufeinander einwirken müssen. Deshalb legen wir in meinem Designteam besonderen Wert darauf, alle Fachbereiche zu vereinigen. Texte im Museum sollen aber nicht nur Objekte erklären, sie sollen auch Zusammenhänge, Prozesse verdeutlichen. Gerade hier kommt es darauf an, Bilder, damit sind auch inszenierte Bilder gemeint, und Texte in Einklang zu stellen. Die Qualität einer Ausstellung ergibt sich auch aus ihrer Ganzheitlichkeit.

Text und Besucher
Ausstellungen bringen Menschen zusammen, an einem Ort. Das ist etwas Spezifisches des Mediums Ausstellung. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, Besucher zu Wort kommen zu lassen, nicht nur in Gästebüchern. Text im Museum kann auch Besuchertext im Museum sein, an Pinnwänden, auf Meinungstafeln. Spannende Diskussionen können so geführt werden, können Teil musealer Konzepte werden. Hier darf ich noch einmal an die Ausstellung „Biedermänner und Brandstifter” erinnern. 50 Prozent der Text/Bildfläche waren hier für Besucher reserviert: Nach und nach wurden diese Meinungsflächen mit ausgewählten, repräsentativen und, der besseren Lesbarkeit wegen, vergrößerten Meinungskarten der Besucher beklebt. Drei Fragen strukturierten die Besuchermeinungen: 1. Wie gefällt Ihnen die Ausstellung? 2. Tut der Staat genug gegen Rechtsextremismus und Gewalt? Wenn nein, was sollte er tun? 3. Was tun Sie selbst gegen Rechtsextremismus? Bereits nach den ersten Auftritten der Ausstellung in Stuttgart und Göppingen lagen mehr als 5000 ausgefüllte Meinungskarten vor.

Text als typografisches System
Die Vermittlung komplexer Themen braucht eindeutige visuelle, typografische Strukturen. Ein Beispiel: Das Designkonzept für das Badische Landesmuseum in Karlsruhe. Eine Schrifthierarchie, also die logische Abstimmung der Schriftgrößen und Schriftschnitte innerhalb der Schriftfamilie „Univers” bildet die Grundlage des typografischen Systems. Vier Überschriftengrößen stehen zur Verfügung. Für Bereichstexte stehen zwei Schriftgrößen zur Verfügung. Für Bildlegenden gibt es eine Größe. Wenn ein Besucher einen Raum betritt, ist es wichtig, zuerst das Raumthema zu benennen, dann einzelne Kapitel zu untergliedern, um dann in die Vielfalt der Unterthemen einzusteigen. Auch die Wiedergabe von Zitaten ist Teil dieses Konzeptes. Wichtig ist dabei auch die Beschriftung der Exponate. Da Exponate im Museen sehr unterschiedlich sein können, bedarf es hier Beschriftungen in zwei bis drei Größen. Das typografische System des Badischen Landesmuseums basiert auf einem Raster, das die unterschiedlichen Größen kombinierbar macht. In der Breite gibt es ein Maßsystem von 32/ 62 und 92 cm breiten Text/Bildelementen. Das entspricht jeweils einer, zwei oder drei Textspalten. Sämtliche Maße des Ausstellungssystems des Badischen Landesmuseums basieren auf diesem Maßkonzept; es gilt auch für Vitrinen. In der Höhe definiert das Rastersystem die Plazierung der Überschrift sowie Beginn und Ende der Lesehöhen für Bereichstexte. Dieses typografische System dient als Instrument. Es wurde sorgsam entwickelt und getestet. Das Konzept durchzuhalten und nicht immer wieder neu erfinden zu müssen, spart Zeit und Geld. Für den Besucher stellt es eine Orientierungshilfe dar, sich systematisch innerhalb des gesamten Museums bewegen zu können.

Text als Teil einer Inszenierung

Bei einer stark inszenierten Ausstellung wie dem Projekt „1848/49. Revolution der deutschen Demokraten in Baden”, die sich durch figurative Bilder zur 48er Revolution in ihren Handlungsgrundzügen ein Stück weit ohne Worte erklärt, kann der Textanteil eher zurücktreten oder er muß sich selbst stärker in Szene setzen. Große Kapitelüberschriften – Auftakte zu Ereignisräumen – wurden in der 48er Ausstellung in Karlsruhe in die Blickachsen gestellt. Als Träger dienten große Bilderrahmen. Gerade eine stark inszenierte Ausstellung, die mit einer „konzertanten” Gesamtwirkung vieler sinnlicher Reize arbeitet, muß konsequent und präzise auf der Spur der angedachten Wirkung bleiben: Architektur, Inszenierung, Typografie, die Integration von Modellen und Objekten, die Farbstimmung und die Beleuchtung geben ein Ensemble sich verstärkender Reize – oder eines unverständlichen Gesamteindrucks. Typografie kann hier auch plakativer Teil der Gesamtinszenierung sein.

Text kann aber auch hörbar gemacht werden, durch Hörspiele oder – live – durch den Einsatz von Schauspielern. Damit konnten in der 48er Ausstellung sehr gute Erfahrungen gesammelt werden. Es gibt viele Möglichkeiten, Text und Texte im musealen Kontext lebendig zu vermitteln, es kommt nur darauf an, eingefahrene Wege der Vermittlung zu verlassen.

von Kurt Ranger

Erschienen in:
Museumsblatt. Mitteilungen aus dem Museumswesen Baden-Württembergs, Heft 26, April 1999, S. 12-14.